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BR
10
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Sie waren die Letztgeschaffenen ihrer Art, den
Schnellzugdampflokomotiven in Deutschland, die beiden "Schwarzen
Schwäne" wie Karl Ernst Maedel einst die Baureihe 10 bezeichnete. Nach
Ihrer Gründung 1949 ging die Bundesbahn erneut an die Planung von
Ersatzbaureihen für alte Länderbahnbauarten. Realisiert wurden die Baureihe
23 (1. Bj. 1950, insgesamt 105 Maschinen), BR 82 (1950, 41 Loks), BR 65
(1951, 18 Loks) und BR 66 (1955, 2 Loks). Der später hinzu gekommenen BR
10, 1957 in 2 Exemplaren gebaut, war der Ersatz der Einheitsbaureihen 01
und 01.10 zugedacht, ihr ist die heutige Betrachtung gewidmet.
Wie der chronologischen Aufzählung zu entnehmen ist, war die BR 10 die
letzte Konstruktion einer Dampflokomotive für die Deutsche Bundesbahn und
sie kam spät. Bereits 1953 wurden die ersten fünf Vorserienmaschinen der V
200 in Betrieb gesetzt und 1956 begann der Serienbau der V 200.0. In, nach
den Jahren betrachtet, denselben Schritten schickte sich die E 10 an die Gleise
der DB zu erobern. In Anbetracht dieser bereits vollführten Schritte zum
Traktionswechsel stellt sich unweigerlich die Frage nach dem Sinn einer
nochmaligen Neukonstruktion einer Schnellzugdampflokomotive. Auf der
"elektrischen Seite" war es wohl die Unsicherheit der
Verantwortlichen inwiefern Wunschdenken und Wirklichkeit bei den geplanten
Elektrifizierungen auseinanderklaffen würden, die elektrischen
Drehgestell-Lokomotiven hatten sich ja bereits mit der E 44 der Deutschen
Reichsbahn als alltagstauglich bewiesen und ein Teil der Vorserien E 10
baute auf dieser ganz deutlich auf. Klar war natürlich, daß angesichts des
großen Streckennetzes selbst bei positiver Entwicklung der
Elektrifizierungsvorhaben auf längere Zeit noch viele Strecken ohne
Fahrdraht bleiben würden. Die V 200, heute wohl glorifiziert, bereiteten in
den Anfängen, nicht nur der Vorserie, erhebliche Probleme beim Einsatz im
schweren Schnellzugdienst, welche erst ab 1963 mit der verstärkten V 200.1
behoben werden konnten. Im schweren Dienst waren sie nicht in der Lage
selbst einer einfachen und wenig leistungsfähigen Type wie der 01 das
Wasser zu reichen. Bei den anfangs stromlinienverkleideten 01.10 mit dem,
im Vergleich zur 01 schon wesentlich ausgeglichenerem 3-Zylinder-Triebwerk,
machten die Kessel aus nicht alterungsbeständigem Stahl bereits ab 1953
eine Neubekesselung der gesamten Baureihe erforderlich. All diese
Unsicherheiten bewegten die junge Deutsche Bundesbahn zur Planung einer
neuen Schnellzug Dampflokomotive auf welcher alle Erkenntnisse des modernen
Dampflokomotivbaus Anwendung finden sollten.
Dieses
vielversprechende Vorhaben begann so wie die genannten äußeren Umstände
waren, mit Unsicherheit. Zunächst plante man die BR 10 als eine Prairie
1'C1'-Lokomotive, jedoch zeichnete es sich ab, daß sich das beabsichtigte
Vorhaben nicht auf 5 Achsen realisieren ließe. Also schwenkte man auf die
Pacific-Bauart um, schließlich hatte man sich auch entschlossen den bereits
bewährten geschweißten Neubaukessel der 01.10 zu verwenden, der immerhin
schon eine Verbrennungskammer aufwies und welcher später auch auf der 01
und der 44 Verwendung finden sollte. Damit hatte man begonnen Kompromisse
einzugehen, was sich schließlich auf die gesamte Konstruktion auswirken
sollte. Von all dem was die übrige Welt an HighTech-Dampflokomotivtechnik
vorführte kam an der BR 10 wenig mehr als die Kylchap-Rauchzuganlage,
Rollenlager an allen Treibachsen, die Verbrennungskammer und die Ölfeuerung
zur Anwendung. Die 10 001 besaß zu Anfang eine Ölzusatzfeuerung welche
später gegen eine Ölhauptfeuerung getauscht wurde, wie sie bei der 10 002
von Anfang an eingebaut war.
Bundesbahnbaurat
Friedrich Witte wäre ein schlechter Schüler seines Lehrmeisters, dem
Reichsbahnderzenenten Wagner gewesen, hätte er Mut zu mehr bewiesen. Von
jenem Reichsbahnderzenenten wird berichtet, daß er in den 1930er Jahren die
Technik eines Lokomotiventwurfes einer deutschen Lokomotivfabrik nach
Chapelon’schem Muster, als "eines deutschen Ingenieurs nicht für
würdig" befand. Er, der Vater solch gründlich mißlungener Baureihen
wie der 02, der 06 oder der 45, letztere beiden Giganten mit niemals
befriedigenden Langrohrkesseln. Die beabsichtigte Ignoranz seines Handelns
im Zusammenhang mit der Verteufelung bewährter Länderbahnbauarten wie der
bay. S 3/6 oder der bad. IVh und die vorsätzlich untauglichen Vorgaben zum
Bau der h4v-Vergleichsbauart 02 zur Zwillings 01 hat Theodor Düring in
seinem Buch "Die Einheitslokomotiven der BR 01 und 02"
detailliert beschrieben und nachgewiesen. Wagner war mehr an Macht als an
Technik interessiert und fügte sich damit charakterlich hervorragend in den
damaligen Zeitgeist des Persönlichkeitskultes ein. Natürlich waren nicht
alle Einheitslokomotiven der Ägide Wagner Fehlkonstruktion, sondern den
Traditionen der preußischen Lokomotivbaustiles Robert Garbes folgend, gab
es etliche einfache und robuste Typen ohne besondere technische Glanzpunkte
über deren Langlebigkeit wir heute im Bilde sind. Ganz klar, daß sich
Friedrich Witte bei der BR 10 durchaus einige dieser Prinzipien zu eigen machte.
Letztlich gab es aber bei der BR 10 zwischen den beteiligten Lokfabriken
und der DB fast die ausgiebigsten Diskussionen über die äußere Erscheinung
der neuen Type, welche von vornherein mit einer Teilverkleidung geplant
war. Aus all den gemachten Lackierungsvarianten wurde dann die
traditionelle Version, rotes Trieb- und Laufwerk und schwarze Aufbauten
gewählt. Lediglich die schön geformten Zierlinien wurden in blankem Metall
ausgeführt. Auch der neu konstruierte Tender der Bauart 2'2'T40 in seiner
langgestreckten Form trug einen maßgeblichen Teil zum Äußeren der Lok bei.
Die akustische Krone wurde den eleganten Lokomotiven mit einer
3-Klangpfeife nach US-Vorbild aufgesetzt. Diese wurden allerdings bald
gegen Pfeifen der Einheitsbauart ausgetauscht, da eine Ausrüstung von nur 2
Lokomotiven der DB mit diesem Ausnahmesound als Gefährdung für die
Sicherheit, da untypisch, angesehen wurde.
1957 schließlich verließen die beiden Lokomotiven 10 001 und 002 die
Werkhallen der Firma Krupp in Essen bereits mit der Gewißheit versehen, daß
sie die letzten ihrer Gattung sein würden. Der Weiterbau ihrer Baureihe war bereits definitiv
abgesagt.
Da standen sie nun die stolzen "schwarzen Schwäne" und ihre
Achsfahrmasse von knapp 22 Tonnen ließen ihre Einsatzmöglichkeiten
drastisch sinken. Beide wurden Anfang 1958 zunächst dem BW Bebra zum
Einsatz auf den Strecken nach Frankfurt, Kassel und Hannover zugewiesen.
Dort liefen sie, wie auch später zumeist mit den 01.10 Öl, welchen sie in
der Leistung nicht überlegen waren, in einem gemeinsamen Umlauf. Sie waren
vor ebenso schweren wie bedeutenden Zügen wie dem D 167/168 "Riviera
Express" zu sehen. Im September 1962 kamen sie zum BW Kassel welches
sie nun über die Main-Weser-Strecke nach Frankfurt einsetzte, ab deren
Elektrifizierung im Mai 1965 nur noch bis Gießen. Eine ihrer späten festen
Leistungen war der E687/688 Bebra-Münster-Rheine wobei für das Befahren der
Strecke ab Münster eine Ausnahmegenehmigung erforderlich war, da diese nur
für 21 t Achslast zugelassen war.
Im Januar 1967 wurde die 10 002 nach mehreren Zylinderschäden
abgestellt, am 18. Januar 1968 folgte ihr die 10 001 nach einem
Schieberstangenbruch. Gerade mal 10 Jahre waren den beiden äußerst
majestätischen Maschinen im Einsatz vergönnt. Wer möchte nicht denen neiden
die sie im Betrieb erleben durften?
Die 10 002 wurde im AW Kaiserslautern als Heizlok hergerichtet und
diente noch einige Jahre als Heizlok im Bereich des ehemaligen
Ludwigshafener Hauptbahnhofes ehe sie verschrottet wurde. Ihrer Schwester
10 001 erging es besser, sie war einige Jahre als rollfähiges
Ausstellungsstück der DB unterwegs und ist nun im Deutschen Dampflok Museum
in Neuenmarkt-Wirsberg zuhause.
Im internationalen Vergleich kommt der BR 10 abgesehen von ihrer
eleganten Erscheinung keine besondere Bedeutung zu. Für den Freund der
Deutschen Eisenbahnen jedoch ist sie ein Mythos geworden, vielleicht auch
durch eine gewisse Verkörperung eines deutschen Schicksals: große Hoffnung,
unerträgliche Umstände und ein früher Tod.
Wiederauferstehung auf vielen Modellbahnen und in Vitrinen feiert die
BR 10 seit dem letzten Jahr durch das sehr schöne Märklin H0 Modell,
welches, in Bewegung gesetzt, einen sehr schönen Eindruck der satten
Eleganz ihres Vorbildes vermittelt. Auch von Rivarossi gibt es bereits seit
Jahren in H0 ein ebenfalls sehr schönes Modell beider Lokomotiven, welches
allerdings herstellerbedingt nie die Resonanz erlebte wie das Modell des
Marktführers. Märklin bietet die BR 10 auch in Spur Z (1:220) an, wo es
auch ein Sondermodell in den Farben der unten abgebildeten Designstudie
gab. In der Baugröße N gab es ein Modell von Rivarossi und gibt es eines
von Arnold, von denen es ebenfalls ein Sondermodell der Designstudie gab.
Für die anderen Baugrößen gilt auch hier wieder der Verweis auf bildschöne
Modelle diverser Kleinserienhersteller.
(sulka.de)
05-01
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Literaturquellen:
Karl Ernst Maedel, Abschied von der Baureihe 10, LM 25, Franckh 1967
Alfred B. Gottwaldt, Die Dampflok-Baureihe 10 im Betrieb, LM 104, Franckh
1980
Carl Bellingrodt, Bundesbahn Dampflokomotiven, Eisenbahn-Kurier 1978
Karl Ernst Maedel, Erinnerungen an die Dampfeisenbahn, Franckh 1983
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