Neben den bekannten Kriegslokomotiven der
Baureihen 42 und 52 sollte es einen dritten Typ geben, die BR 53.
Die BR 52 wurde zur zahlenmäßig größten und erfolgreichsten
deutschen Lokomotivreihe und überlebte die meisten anderen Typen
bis zum Ende des Planeinsatzes deutscher Dampflokomotiven im Jahr
1988. Um die BR 42 wurde viel diskutiert, aber auch sie erreichte
die Produktion und diente noch lange nach dem Krieg in
verschiedenen Bahnverwaltungen. Der dritte Entwurf,die BR 53,
genauer bezeichnet als 53 0001, kam nie über das Prototyp-Stadium
hinaus.
Am 13. Oktober 1943, einige Monate nach
Lieferung der ersten 42, forderte der Konstruktionsausschuss für
Lokomotiven die Lokhersteller auf, Vorschläge für eine schwere
Kriegslokomotive einzureichen. Neun bzw. zehn Firmen (unterschiedliche
Quellenangaben) haben mit insgesamt 17 Entwürfen geantwortet.
Diese beinhalteten u.a. eine siebenfach gekuppelte Maschine von
Schichau, ein modifizierte Fairlie von Orenstein & Koppel und eine
nicht im Verbundprinzip arbeitende Gelenklok der Wiener
Lokomotivfabrik (WLF). Die Entwürfe, die von Borsig (Berlin
Hennigsdorf) und der WLF eingereicht wurden, fanden das größte
Interesse bei der Reichsbahn.
Borsig, unter Leitung von Dr. Adolf Wolff,
schickte zwei Vorschläge - eine (1'C)D Mallet-Verbundmaschine (Nr.
426-821) und eine herkömmliche Maschine (Nr. 426-824). Letztere
sollte eine 1’E2’ auf der Basis der BR 44 sein. WLF hatte
ebenfalls einen Mallet-Entwurf erarbeitet, der aber den
amerikanischen Gelenklokomotiven ohne Verbundwirkung entsprach.
Borsig hingegen war bereits für Mallet-Lokomotiven bekannt, da das
Werk eine Anzahl davon für Serbien, Italien, Spanien, Indonesien,
Argentinien und das Osmanische Reich gebaut hatte.
Der (1’C)D Entwurf war international unüblich,
jedoch hatte Baldwin in Philadelphia 1910 solche Lokomotiven für
die Southern Pacific Railroad und die Alabama & Great Southern
Railroad gebaut. Andere Exemplare waren aus bereits vorhandenen
Lokomotiven entstanden. Diese wurden von der Baltimore & Ohio und
der Great Northern Railroad eingesetzt.
Borsig untersuchte diese Entwürfe und
schenkte einer von der Alabama & Great Southern gekauften Maschine
besondere Aufmerksamkeit. Diese Maschine hatte eine Länge von
22,203 m und die gleiche Achsanordnung wie die geplante BR 53.
Borsigs Mallet-Entwurf mit der Achsfolge (1’C)D h4v sollte eine
Lokomotive mit knapp 3000 PS sein, die einen Güterzug mit 1700
Tonnen Last auf einer Steigung von 8 ‰ in einem Gleisbogen mit 360
m Radius mit 20 km/h befördern kann. Die Höchstgeschwindigkeit
sollte wenigstens 80 km/h betragen. Die neue Maschine sollte auch
Merkmale wie einen Stoker für die Kohlezuführung vom Tender in die
Feuerbüchse haben. Der hohe Verbrauch an Brennstoff wäre für einen
Heizer kaum zu bewältigen gewesen. Nach den heute bekannten
Tatsachen wäre es jedoch kaum zu einem Stoker gekommen, da es
gleichermaßen unwahrscheinlich erscheint, dass man sich einen
Lizenzvertrag hätte verschaffen können, ein Stokersystem zu kaufen
oder ein völlig neues zu entwickeln.
Zweifellos war die Borsig-Mallet ein
gelungener Entwurf, der äußerst gut aufgenommen wurde, aber es gab
einige Zweifel wegen der Verwundbarkeit der verschiedenen
flexiblen Dampfleitungen. Diese wären aufgrund der
seitenbeweglichen vorderen Treibgruppe notwendig gewesen. Es
scheint, dass die Hennigsdorfer Ingenieure trotz schwieriger
Arbeitsbedingungen über den Bau eines Prototyps gesprochen haben.
Während es solche Gespräche durchaus gegeben haben kann, gibt es
Beweise darüber, dass nur grobe Skizzen, aber keine
Detailzeichnungen der einzelnen Bauteile existierten. Die
Lokproduktion war bei Borsig ab 1943 nahezu unmöglich geworden, da
die Werke durch Luftangriffe zerstört waren. Es wurde durch
Rüstungsminister A. Speer verfügt, dass Borsig sich ab 1944 auf
die Ausbesserung beschädigter Fahrzeuge konzentrieren sollte. Als
die letzten Vorschläge für die schwere Krieglok im Februar 1944
kamen, wurde es immer offensichtlicher, dass eine solche Maschine
wegen des Rückzugs der deutschen Truppen an der Ostfront nicht
gebraucht werden würde. Berlin war schweren Luftangriffen
ausgesetzt und Panzer waren wichtiger als Lokomotiven.
Schon immer wurde darüber diskutiert, ob der
Bau dieser Lokomotive überhaupt begonnen wurde. Der ehemalige
Borsig-Ingenieur Karl-Heinz Golze bestätigte einen Beginn der
Arbeiten an der Lok. "Bei Borsig habe ich mit meinen eigenen Augen
die ersten Montagearbeiten für diese Lokomotive gesehen." Während
seiner Ausbildung an der Ingenieurschule der Deutschen Reichsbahn
in Sachsen war Herr Golze aus Leipzig 1944 mehrmals bei Borsig in
Berlin. "Es war nicht ganz richtig, dass die Deutsche Reichsbahn
1943 nur Verträge zur Entwicklung einer solchen überschweren
Frachtlokomotive abgeschlossen hatte." Die Reichsbahnschulen
wurden mit Entwürfen betraut. "Sogar in Mittweida gab es Leute,
die in die Verträge involviert waren. Es gab einige ziemlich
ungewöhnliche Entwürfe, z.B. eine Lokomotive mit dem Führerstand
in der Mitte und einem Heizkessel davor und dahinter. Die
Kohlenkästen sollten sich über den tieliegenden Kesseln befinden.
Ein anderer Entwurf sah eine Kohlenstaubfeuerung vor, wurde jedoch
wegen der zu hohen Kosten bei der Herstellung des Kohlenstaubs
verworfen. Es war wichtig, dass etwas Vernünftiges herauskam, aber
nichts kostete."
Um Golze zu zitieren: "Während wir an der 52
hämmerten, gab es noch eine andere Lokomotive im Bau, die sich
sehr von den herkömmlichen Kriegsloks unterschied. Es war eine
ausgesprochen große Gelenklokomotive. Offensichtlich war dem
Entwurf grünes Licht gegeben worden, weil niemandem erlaubt wurde,
zuzugeben, dass der Krieg jetzt nicht gewonnen werden könnte, und
die große Lok würde für den Dienst im Osten gebraucht werden."
Golze beschreibt, was er sah: "Die
Zylinderherstellung konnte gut beobachtet werden. Der Rahmen war
fertig. Ich bin selbst darauf herum gelaufen." Es gab ein wenig
vom Tender und dem Führerstand zu sehen, aber die Dreher
arbeiteten bereits an den Radsätzen. Der Kessel war auch in Arbeit.
Golze kann sich nicht vorstellen, dass die Lokomotive je ganz
fertiggestellt wurde oder sogar unter Dampf stand. Er weiß auch
nicht, was aus den im Bau befindlichen Teilen geworden ist. "Ich
wurde im Sommer 1944 einberufen." Viel ist danach passiert, auch
während der chaotischen Nachkriegszeit. Er hat nie wieder einen
Fuß in die Borsigfabrik gesetzt.