Die Dreißiger Jahre waren für die
Eisenbahntechnik weltweit ein Jahrzehnt großer Innovationen. Neue
Elektro- und Dieseltriebfahrzeuge revolutionierten die Welt auf
Schienen. Auch die Dampflokomotive wurde weiterentwickelt,
vielbeachtet waren die Weltrekorde in Deutschland und England, wo
jeweils Dampflokomotiven Geschwindigkeiten von 200 km/h erreichten.
Dennoch war den Fachleuten klar, dass das klassische Dampftriebwerk
am Ende seiner Entwicklung stand – zumindest bei der Erhöhung der
Fahrgeschwindigkeit. Ausweg boten verschiedene neue Möglichkeiten,
beispielsweise Einzelachsantrieb mittels kleiner Dampfmotoren. Zur
Erforschung dieser Technik baute die alteingesessene Lokomotivfabrik
Henschel in Kassel eine entsprechende Versuchslok für die Deutsche
Reichsbahn.
Die Lokomotive 19 1001 entsprach ausser den neuartigen
Einzelmotoren dem damaligen Stand der Dampftechnik. Man vermied es
sinnvollerweise, zu viele neue Elemente auf einmal zu erproben und
konnte sich so auf die Entwicklung der Dampfmotoren konzentrieren.
Der Kessel entsprach dem der Güterzuglok Baureihe 44, die
Stromschale war aus der Baureihe 01.10 entwickelt worden, genauso
der Tender. Beim Laufwerk und der Kraftübertragung verwendete man
Bauteile, die sich bei Elektroloks bewährt hatten.
Die Versuchsfahrten ergaben eine Höchstleistung von 1.685 PS bei
80 km/h, es wurden Geschwindigkeiten von maximal 180 km/h
ausgefahren, völlig problemlos, in Friedenszeiten wäre in dieser
Richtung sicher noch weiter geforscht worden.
Als die Ablieferung mitten im Krieg erfolgte, hatte die Deutsche
Reichsbahn zunehmend ganz andere Probleme, als einen neuartigen
Einzelgänger zur Betriebsreife zu entwickeln. Dennoch traten an der
Lok bemerkenswert wenig Probleme auf, so dass sie 1943 zum
Betriebseinsatz zum Bw Hamburg-Altona kam. Hier führte sie Züge auf
den Strecken von Hamburg nach Berlin, Hannover und Osnabrück. 1944
wurde die Lok bei einem Bombenangriff schwer beschädigt. Die Lok
stand bei Kriegsende in der Nähe von Göttingen. Sie wurde auf Befehl
der Amerikanischen Besatzungsmacht wiederhergestellt und als
Beispiel für modernste deutsche Technik als Kriegsbeute im Oktober
1945 in die USA gebracht. Nach verschiedenen Ausstellungen und
Testreihen in den USA wurde die Lok schließlich 1952 verschrottet.
Obwohl sich die 19 1001 bewährt hatte, wurde beim Wiederaufbau
der Eisenbahnen nach dem Krieg diese Technik nicht weiterverfolgt.
Die Verhältnisse im Nachkriegsdeutschland erzwangen einfachste,
erprobte Technik, die schnell verwirklicht werden konnte. Damit
endete ein viel versprechender Weg, mit Dampflokomotiven im
Regelbetrieb höhere Geschwindigkeiten zu erreichen.
1941 lieferte
Henschel diese vollverkleidete Versuchslok, die analog zu der
bei elektrischen Lokomotiven bereits bewährten Bauweise mit
Einzelachsantrieb durch
Dampfmotoren ausgerüstet war. Die Treibachsen waren
untereinander nicht gekuppelt. Die Treibachsen 1 und 3 hatte auf der
linken, die Treibachsen 2 und 4 auf der rechten Seite je einen
Dampfmotor mit zwei Zylindern in V-Form in 90°-Anordnung. Die
Motoren gehörten zum abgefederten Fahrzeugteil und waren mit
Gelenkkupplungen an die Treibachsen angebunden.
Die Lok besaß nur sehr geringe hin und her gehende Massen und
zeichnete sich bis 180 km/h durch eine außergewöhnliche Laufruhe aus.
Bei einer Versuchsfahrt wurde eine Höchstgeschwindigkeit von 186
km/h erreicht. Einziger Nachteil der Lokomotive war eine gewisse
Schleuderneigung der nicht gekuppelten Treibachsen.
Die Maschine wurde, nachdem die Anfangsschwierigkeiten ausgeräumt
waren, regelmäßig bis zu einem Bombenschaden im August
1944
eingesetzt. Nachdem die Schäden
1945
durch Henschel behoben worden waren, wurde die Maschine als Beutegut
in die USA
verschifft. Dort wurde sie untersucht und in Fortress Monroe
(Virginia) ausgestellt.
1953
wurde die Lok schließlich verschrottet, nachdem die
Deutsche Bundesbahn die Übernahme der Kosten für den
Rücktransport abgelehnt hatte.
Das Fahrzeug war mit einem
Schlepptender der Bauart 2'3 T 38 St ausgestattet, wie er auch
für die
Baureihe 01.10 verwendet wurde.
DRG
Baureihe 19.10 |
Technische Daten |
Bauart |
1'Do1' h8 |
Läge über Puffer |
23.775
mm |
Ø Treibrad |
1.250 mm |
Ø vorderes Laufrad |
1.000 mm |
Ø hinteres Laufrad |
1.250 mm |
Leistung |
1.700
PSi |
Höchstgeschwindigkeit |
175
km/h |
Kesselüberdruck |
196,1
N/cm² |
Zylinderdurchmesser |
300 mm |
Kolbenhub |
300 mm |
Rostfläche |
4,55 m² |
Verdampfungsheizfläche |
239,67 m² |
Überhitzerfläche |
100,00 m² |
Achslast |
183,4
kN |
Lokreibungslast |
731,6
kN |
Lokdienstlast |
1.071,7
kN |
Br
19.10 1001 in 1943 auf der
Strecke Hamburg-Altona, Berlin,
Osnabrück